In unserer Interview-Reihe „Digitale Services im Kerngeschäft Komposit“
veröffentlichen wir heute Teil 11:


Gebäudeversicherung 4.0 – Chancen und Potenziale einer datenbasierten Geschäftssteuerung

Steigende Klimarisiken, regulatorische Anforderungen und wachsender Wettbewerbsdruck fordern die Branche heraus. Im Interview spricht Sven Jantzen, Mitgründer und Geschäftsführer von SkenData, mit Jürgen Wulf über den Wandel in der Gebäudeversicherung.

Digitale Zwillinge, hochauflösende Gebäudedaten und KI schaffen Transparenz und neue Steuerungsmöglichkeiten.

Banken setzen zunehmend auf datenbasierte Gebäudebewertungen für ESG-Reporting und Risikosteuerung und auch Versicherer können für präzises Underwriting, effizientes Schadenmanagement und nachhaltige Tarifierungen davon profitieren.

Ein weiterer Ausblick, wie digitale Services das Kerngeschäft Komposit nachhaltig verändern.

Sven Jantzen, Skendata

 

Interviewpartner:

Sven Jantzen
Co-Gründer und Geschäftsführer
Skendata GmbH

www.skendata.com

 

 

 

Jürgen Wulf: Lieber Herr Jantzen, bitte stellen Sie sich kurz vor.

Sven Jantzen: Ich bin Mitgründer und Geschäftsführer von SkenData. Zuvor war ich für lange Zeit in den Bereichen Underwriting, Schadenmanagement und Großkunden im Provinzial Konzern tätig.

Jürgen Wulf: Seit unserem letzten Interview im Januar 2019 ist einige Zeit vergangen. Zum Interview [hier klicken]

Wie hat sich Skendata seitdem entwickelt ?

Sven Jantzen:  SkenData ist heute Marktführer im Bereich der digitalen Wertermittlung für Versicherungen. Wert14 hat mittlerweile über 55.000 Nutzer, mehr als 40 Versicherer erkennen den Unterversicherungsverzicht an. Auch in Österreich haben wir uns zu einem anerkannten Partner von Versicherungen entwickelt. Mit über 35 Mitarbeitern arbeiten wir heute profitabel.

Im Bankensektor spielt SkenData mittlerweile eine führende Rolle. Hier liefern wir Gebäudedaten und Produkte für das ESG-Reporting. Zu unserem Portfolio gehören hochwertige Produkte wie Energieausweise, Sanierungsfahrpläne, Solarpotenziale, Fördermittel und Klimarisiko Reporte.

Jürgen Wulf: Das Risiko in der Gebäudeversicherung ist vor dem Hintergrund der zunehmenden Unwetterereignisse stark ansteigend und wird durch die politische Diskussion sowie die Absicht der Regierung zu einer Elementarpflichtversicherung umso bedeutender. Zu einem risikogerechten Versicherungsschutz gehört eine aktuelle und vollständige Kenntnis des einzelnen Versicherungsrisikos. Wie kann Skendata die Versicherer hier unterstützen?

Sven Jantzen: Die Combined Ratio der Sparte liegt – trotz stark gestiegener Beiträge – branchenweit bei über 100 %. Die Entwicklung der Risikosituation bleibt auch in Zukunft angespannt. Vor diesem Hintergrund ist eine feingranulare Risikobewertung auf Gebäudeebene zielführend.

 

 „Gebäudeversicherungen benötigen eine feingranulare Einschätzung der Risiken.“

 

SkenData unterstützt Versicherungen mit hochauflösenden Gebäudedaten und Tools. Die Gebäudedaten kombinieren wir mit Wertermittlungen, Klimaprojektionen z.B. für Hochwasser und Starkregen, Schadenerwartungswerten und Klimaresilienz. Mit hochwertigen Produkten wie Energieausweise, Sanierungsfahrpläne, Fördermitteln und Klimareporten schaffen wir zusätzliche Mehrwerte.

Jürgen Wulf: Das Versicherungskollektiv muss davon ausgehen können, dass der Versicherer seine Risiken kennt und entsprechend bewertet und bepreist.

Nach Einschätzung von hnw consulting ist die Kenntnis des Risikos für die Gebäudeversicherung sowohl im Underwriting und Pricing als auch im Schadenfall eine unternehmerische Voraussetzung für eine effektive Geschäftssteuerung auf Profitabilität, Solvabilität und Kundenzufriedenheit.

Vor dem Hintergrund der wetterseitigen Risikoverschärfung als auch der regulatorischen Erwartung ist nach unserer Einschätzung eine Gebäudewertermittlung des einzelnen Risikos als auch eine Analyse und Bewertung des Gesamtportfolios eine zwingende unternehmerische Aktivität.

Wir haben recherchiert, dass sich im Jahr 2024 das Kreditvolumen im Bereich privater Wohnimmobilien von Sparkassen und Genossenschaftsbanken auf 332 Mrd. Euro belief. Hiervon entfielen ca. 25 % auf die Sparkassen und 21 % auf die Genossenschaftsbanken. Grund genug für die beiden Segmente eine langfristige, datenbasierte Risikobewertung ihrer finanzierten Objekte mit Hilfe von Skendata vorzunehmen.

Was kann Skendata zur unternehmerischen Risikobewertung des Versicherers sowohl für das einzelne Gebäude als auch für das gesamte Gebäudeversicherungsportfolio heute beitragen?

 

„Mehr Informationen und Mehrwerte durch digitale Zwillinge.“

Sven Jantzen: Für ein einzelnes Gebäude und Flurstück stellt SkenData derzeit mehr als 450 Attribute zur Verfügung. Dieser digitale Gebäude-Zwilling besteht aus über 8.000 Zeilen Code. Damit können Banken und Versicherer ihr Risiko sehr feingranular bestimmen, sowohl für ihre Portfolios als auch für Einzelobjekte. Und davon ausgehend ihren Kunden Mehrwerte für diverse Use Cases liefern.

Jürgen Wulf: Die Kenntnis des einzelnen und des kollektiven Risikos würde nach unserer Einschätzung nicht nur die periodische Notwendigkeit von Sanierungs- und Kündigungsmaßnahmen in Zeiten des Verdrängungswettbewerbs deutlich reduzieren. Mit der ab Mai 2026 wirkenden EU-Gebäuderichtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden entsteht für Versicherer die Chance, sich im Interesse von Unternehmen, Risiko, Kunde und Regulatorik an die Spitze einer Bewegung zu setzen, die es erlaubt die Wohngebäudeversicherung datenbasiert und nachhaltig weiterzuentwickeln. Hat Skendata dazu bereits etwas im Leistungsportfolio?

Sven Jantzen: Die EU-Gebäuderichtlinie bietet große Chancen für Versicherer, aber um ehrlich zu sein, haben hier die Banken die Nase vorn. Aufgrund der Capital Requirements Regulation (CRR) betrachten Banken ihre Risiken über eine längere Periode als Versicherer. Die nachhaltige Wertentwicklung eines Gebäudes spielt bei einem Finanzierungszeitraum von über 10 Jahren eine entscheidende Rolle. In diese Nachhaltigkeitsbetrachtung fließen auch CO2-Ausstoß und Klimaprojektionen für ein Gebäude ein.

Für Versicherer spielt z.B. die Ausweisung der Co2-Emissionen von versicherten Gebäuden (Scope 3) heute noch keine Rolle. Das wäre eine Chance für Versicherer – denn sie können Daten aus Energieausweisen und Sanierungsplänen nutzen, um präziser zu tarifieren. Auch längere Betrachtungszeiträume von Klimaentwicklungen versprechen eine bessere Einschätzung der Risiken in der Gebäudeversicherung.

Jürgen Wulf: Im Schadenereignis wird ja häufig eine Bewertung des Gebäudes oder Teilen davon notwendig. Welche Mehrwerte sehen Sie für den Schadenbereich, wenn dieser auf einen aktuellen Gebäudewert von Skendata zugreifen kann?

Sven Jantzen: Wir sehen 3 Anwendungen für den Bereich Schaden.

Das klassische Wert14 wird vom Schadenaußendienst zur Vorbereitung von Schadenverhandlungen genutzt. Welche Gebäude sind auf dem Grundstück versichert? Ist die Gebäudebeschreibung korrekt, stimmen Wohnfläche oder Versicherungssumme mit dem Vertrag überein?

Zweitens bietet SkenView für Kumulereignisse die Möglichkeit, das versicherte Portfolio mit dem Schadenereignis, beispielsweise einem Hagelgebiet, abzugleichen. Das Schadengebiet wird auf der Karte ausgewählt. Für das ausgewählte Gebiet werden dann alle versicherten Objekte angezeigt und der objekt- und ereignisspezifische PML (Probable Maximum Loss) berechnet. So können erste Reserven gebildet und Kapazitäten gesteuert werden.

Drittens arbeiten wir an der Verbindung von der verbalen und visuellen Erstmeldung hin zur präzisen Berechnung des Schadens. Dies ist möglich, indem man KI-gesteuerte Eingangskanäle wie z.B. Chatbots verwendet und diese mit dem digitalen Zwilling des Einzelobjekts verbindet. In Zusammenarbeit mit Schadensspezialisten und Gutachtern sind wir hier schon sehr weit gekommen.

Jürgen Wulf: Der sich zukünftig entwickelnde Datenbestand basiert auf einer Vielfalt valider Quellen, zu denen auch die pro-aktive Bereitstellung von Kundeninformationen gehören werden.

Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz sind zudem vielfältige Use Cases über die Gebäudeversicherung hinaus möglich. Was sehen Sie an weiteren Chancen, wenn man die Szenarien für die Gebäudeversicherung weiter denkt?

„SkenData vereint ihre KI Anwendungen wie “ask anything for buildings” mit regulatorischen Anforderungen wie Haftung und Nachvollziehbarkeit.“

Sven Jantzen: Bei KI erleben wir eine rasante Entwicklung der Technologie und deren Anwendung. SkenData arbeitet als Innovator am “ask anything for buildings”. Versicherer und Banken sind jedoch stark reguliert. Das bedeutet, die Daten und Ergebnisse wie die Versicherungssumme dürfen keine Blackbox sein. Im Schadenfall liegt die Beweislast beim Versicherer. Daher müssen Gebäudedaten und Kennzahlen der “physikalischen Realität” entsprechen und nachvollziehbar sein. Die Berechnungsmethoden müssen den anerkannten Normen und Regeln der Technik entsprechen. Skendata vereint KI Anwendungen mit regulatorischen Anforderungen, wir sehen hier riesige Anwendungsfelder für Versicherer.

Jürgen Wulf: Lieber Herr Jantzen, vielen Dank für die spannenden Einblicke und viel Erfolg mit Skendata im Sinne von Kunde, Kollektiv, Umwelt und Versicherungswirtschaft.

 

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Bildquelle: shutterstock