In unserer Interview-Reihe „Digital Services im Kerngeschäft Komposit“ veröffentlichen wir heute den sechsten Teil.

Dabei beschäftigen wir uns mit dem Thema: Neue Lösungen für die Dunkelverarbeitung im Sach- und Haftpflichtschaden

Markus Butterweck

Interviewpartner:
Markus Butterweck
Managing Director, Schweitzer Gruppe GmbH, Wehrheim

https://schweitzergruppe.de

Jürgen Wulf: Sehr geehrter Herr Butterweck, bitte stellen Sie sich kurz vor.

Markus Butterweck: Mein Name ist Markus Butterweck. Ich bin Managing Director bei der Schweitzer Gruppe GmbH, wir sind zum einen White Label Dienstleister für die Schadenbearbeitung, zum anderen führen wir über unser bundesweites Sachverständigennetzwerk Besichtigungen und Bewertungen von Schäden durch. Vor meiner Zeit bei der Schweitzer Gruppe GmbH war ich leitend im Schadenmanagement eines Versicherers tätig, kenne insofern beide Seiten.

 

Jürgen Wulf: In der Schadenbearbeitung ist die Schweitzer Gruppe als einer der führenden Dienstleister am Markt seit über 25 Jahren für eine Vielzahl von Versicherungen tätig, Sie bedienen traditionelle Versicherer wie auch viele Start Up Versicherer.

Wie beurteilen Sie die aktuellen Entwicklungen rund um die Dunkelverarbeitung?

Markus Butterweck: Die Grundidee finde ich gut. Kunden sollen eine einfache und schnellere Regulierung erfahren, zudem können Verwaltungskosten gesenkt werden. Gerade im Bereich der Einfachschäden ist das Potential für die Dunkelverarbeitung hoch, das Risiko gering.

 

Jürgen Wulf: Was sind Ihre Wahrnehmungen hierzu am Markt?

Markus Butterweck: Ein Großteil der Versicherer hat die Dunkelverarbeitung auf seiner Agenda stehen, wirklich umgesetzte Projekte gibt es kaum, zumindest für die Sach- und Haftpflichtversicherung.

 

Dunkelverarbeitung im Sach- und Haftpflichtschaden noch in den Kinderschuhen

 

Jürgen Wulf: Welche Gründe vermuten Sie hierfür?

Markus Butterweck: Ein Großteil der Versicherer hat über die letzten Jahre Altsysteme durch ständige Erweiterungen ausgereizt. Hinzu kommen bereits geplante Einführungen neuer Systeme mit entsprechend langfristiger Ressourcenbindung, da bleibt oft wenig Raum für solche Projekte.

 

Jürgen Wulf: Sehen Sie Unterschiede zwischen traditionellen Versicherern und Start Up Versicherern?

Markus Butterweck: Nur bedingt. Durch komplexere IT-Systeme bei traditionellen Versicherern haben Start Up Versicherer mit meist neuen webbasierten Schadenanwendungen einen anzunehmenden Umsetzungsvorsprung.

Die agile und wirklich bemerkenswerte Produktentwicklung der Start Up Versicherer wird allerdings gegenüber Schadenprojekten immer wieder priorisiert. So gibt es derzeit auf beiden Seiten nur wenige Versicherer, die Vollzug melden können.

 

Jürgen Wulf: Welche Veränderungen sind bei der Schweitzer Gruppe durch den Einzug der Dunkelverarbeitung zu erwarten?

Markus Butterweck: Wir unterstützen in unserem Portfolio eine Vielzahl an Versicherern u.a. auch bei der Bearbeitung von Schäden im sogenannten Einfachschadensegment, aktuell noch manuell und zum Großteil unter Nutzung deren Schadensysteme. Mit zunehmender Dunkelverarbeitung könnte der Anteil an Einfachschäden in unserem Portfolio weniger werden.

 

Jürgen Wulf: Das klingt nach weniger Aufträgen. Wie wollen Sie das kompensieren?

Markus Butterweck: Wir sehen hier eher ein Potential zum Ausbau von Geschäftsbeziehungen.

Zum einen verzeichnen wir insgesamt eine stabile Nachfrage, dies auch im komplexen Schadensegment.

Zum anderen sehen wir in der Dunkelverarbeitung Potential für unsere Positionierung als Technologieanbieter. Wir wollen Versicherer dabei unterstützen, schneller und ohne große Aufwände in die Dunkelverarbeitung einzusteigen, somit können wir weiter daran teilhaben.

 

Jürgen Wulf: Wie sieht diese Unterstützung konkret aus?

Markus Butterweck: Wir haben eine eigene Schadensoftware (ESRA) entwickelt, die wir auch bereits zur Schadenbearbeitung einsetzen. ESRA ist programmatisch auf dem neuesten Stand der Technik und so konzipiert, dass wir Schäden „dunkel“ darüber abwickeln können. Wir bieten interessierten Gesellschaften nun an, die Dunkelverarbeitung über unsere Software abzuwickeln, sei es zu Testzwecken, um auf diesem Segment erste Erfahrungen zu sammeln oder aber, um nicht warten zu müssen, bis eigene IT Ressourcen wieder verfügbar sind.

 

Jürgen Wulf: Das hört sich nach einem neuen Geschäftsmodell an?

Markus Butterweck: Richtig, wir sehen uns insofern immer stärker auch als Technologiepartner und kombinieren unsere systemseitigen Lösungen mit fachlichem Input.

 

Jürgen Wulf: Welche Vorarbeit haben Sie hierfür schon geleistet?

Markus Butterweck: Wir haben für die Sach- und Haftpflichtversicherung bereits Schadenfälle definiert und passende Prozesse für die Schadenmeldung konzipiert.

Der Prozess durchläuft verschiedene Weichen, die den Schaden entweder auf der Strecke zur Dunkelverarbeitung weiterlaufen lassen oder aber begründet aussteuern.

Ideen gibt es also genug, die wir mit individuellen Wünschen und Regeln unserer Auftraggeber anreichern und in unserem System hinterlegen können.

Jeder Versicherer hat ja eine eigene Philosophie zu Freiräumen und Grenzen der Dunkelverarbeitung.

 

Jürgen Wulf: Können Sie mal Beispiele für geeignete Schäden nennen?

Markus Butterweck: In der Hausratversicherung können z.B. Überspannungs-schäden mit einem beschädigten Router oder anderen Elektronikgeräten recht einfach dunkel verarbeitet werden, optional unter Einbindung von Wetterdatenanbietern und Preisdatenbanken. Auch bei Fahrraddiebstahl sehen wir ähnliches Potential, oftmals gibt es hier gut verwertbare Belege.

Bei der Haftpflichtversicherung legen wir den Fokus auf die Massenschäden rund um Smartphones und Tablets sowie weitere Kleinstschäden.

Zum Einsammeln der relevanten Belege bieten wir dem Endkunden einfach zu bedienende Upload-Funktionen über das Smartphone an, dabei werden die Unterlagen strukturiert in unsere Schadenakte hochgeladen und der Prozess angestoßen.

 

Attraktive Potenziale im Sach- und Haftpflichtschaden

 

Jürgen Wulf: Sind das nicht die Schäden, die die Agenturen auch regulieren können und wollen?

Markus Butterweck: Grundsätzlich ja, allerdings werden die Vollmachten eher sporadisch eingesetzt, stehen wegen der Interessenskonflikte auch auf dem Prüfstand. Wir bieten dem Vermittler Alternativen an. Er kann ja durchaus derjenige sein, der seinem Kunden den auslösenden Zugang zum Schadenmeldeportal bereitstellt, somit bleibt er Bindeglied und Einlöser des Serviceversprechens.

 

Jürgen Wulf: Welchen Anreiz geben Sie den Versicherern, Ihr System zu nutzen?

Markus Butterweck: Durch die Dunkelverarbeitung reduzieren sich auch die Verwaltungskosten auf unserer Seite, diesen Vorteil geben wir in Form von niedrigeren Gebühren an den Versicherer weiter.

 

Neues Geschäftsmodell kurz vor Einführung

 

Jürgen Wulf: Das klingt schon recht weit gedacht. Wann gehen Sie an den Start?

Markus Butterweck: Wir sind noch inmitten der Weiterentwicklung durchgängiger Prozesse. Diese möchten wir dann als variables Produkt zunächst exklusiv unseren langjährigen Auftraggebern anbieten. Erst dann wollen wir den Service am Markt anbieten, 2020 wird insofern spannend für uns.

 

Jürgen Wulf: Lieber Herr Butterweck, vielen Dank für die spannenden Einblicke und viel Erfolg mit dem neuen Geschäftsmodell!

 

In der Interviewreihe sind bisher erschienen:

 

Bildquelle: Unsplash – Ilya Pavlov