Wenn Sie zuletzt auf Veranstaltungen in der Versicherer- und Dienstleisterbranche teilgenommen haben und die Vorträge verfolgt haben, konnten Sie feststellen, dass unter anderem die mobile Schadenaufnahme für Sach-Außenregulierer eines der wichtigen Themen war.
Sind Sach-Außenregulierer die einzige Zielgruppe?
Mehrere Dienstleister bieten mittlerweile Software-Lösungen / Apps für die mobile Schadenaufnahme vor Ort für Sachschäden an. Die angesprochene Zielgruppe sind Regulierer-Organisationen oder angestellte Außenregulierer. Alle Systeme versprechen einen Zeitgewinn bei der Regulierung vor Ort, einen professionellen Auftritt, deutlich reduzierte Nacharbeit, Systemintegration oder Schnittstellenanbindung zu Bestands- und Schadendaten sowie eine Integration von Mail, Foto, Raumvermessung und Video-Chats.
Es ist aufgefallen, dass die Lösungen eher als Expertensysteme eingesetzt werden und die dafür entsprechende Funktionalitäten aufweisen. Agenturleiter/ Vertriebspartner oder gar mobile Schadenaufnahme (VN) und Anspruchsteller (AST) haben kaum eine Chance auf die Bedienung der Lösungen.
In der Kraftfahrt ist ebenfalls Potenzial vorhanden
In der Kraftfahrtversicherung stellt sich die Situation etwas anders dar. Die mobile Schadenaufnahme durch Kfz-Sachverständige oder Kfz-Werkstätten ist seit Jahren am Markt etabliert, Systemanbindungen sind i.d.R. vorhanden und Schadenbewertungen werden strukturiert übergeben.
Allerdings ist der Datenaustausch und die elektronische/ digitale Kommunikation ausschließlich zwischen den Geschäftspartnern aufgebaut. Die Integration und Interaktion mit dem VN oder mit dem AST in den Prozess der Schadenaufnahme ist nicht erkennbar vorgesehen. Die einzige Prozessintegration besteht aktuell in der Schadenverfolgung durch den VN oder AST – und diese ist eher eine passive Funktion und wenig integriert.
Mobile Schadenerkennung mit Virtual-Reality
Bei der fortschreitenden technischen Entwicklung kann auch in der Kfz-Versicherung die Schadenaufnahme durch den VN oder AST vorgenommen werden. Erste Versuche über eine Schadenmeldung über eine Schaden-App sind am Markt in unterschiedlichen Ausprägungen vorhanden. Eine tatsächliche Integration i.S. von „Self-Services“ ist allerdings noch nicht erkennbar.
Erste Anwendungsfälle über die fototechnische Erkennung von Schäden im Abgleich von Sollzuständen zu Schadenbildern geben Hinweise auf weitere Entwicklungsmöglichkeiten. Der Ausbau von Virtual-Reality (VR), 360°-Videos lässt erahnen, wie zukünftig ein Sachverständiger vom Schreibtisch aus eine virtuelle „Vor-Ort-Begehung“ über „VR-Brillen“ durchführen kann und somit eine mobile Schadenaufnahme vor Ort quasi vom Schreibtisch aus durchführt.
Das daraus entstehende Potenzial für Versicherer ist noch nicht vorhersehbar.
Warum ein strategisches Zielbild sinnvoll ist
Wenn Sie sich mit der mobilen Schadenaufnahme im Zuge der Optimierung und Digitalisierung von Prozessen beschäftigen, sollten Sie über die Anbindung der aktuellen Regulierungspartner an den Schadenprozess hinausdenken, End-to-End-Prozesse definieren und zumindest eine Orientierung für die nächsten Jahre erarbeiten, die rollierend weiterentwickelt wird und an der Sie regelmäßig neue Themen entlangführen.
Folgende (nicht abschließende Fragestellungen) müssen Sie für sich bei der Themenstellung mobile Schadenaufnahme beantworten:
- Sollen ausgewählte Funktionen auch Handwerkern oder Dienstleistern zur Verfügung gestellt werden und welche Mehrwerte für den Handwerker oder Dienstleister sind damit verbunden?
- Sollen auch Ihre Vertriebspartner die Lösung in Zukunft nutzen?
- Sollen Versicherungsnehmer i.S. von „Self-Services“ Teile der Schadenregulierung oder gar die komplette Schadenregulierung übernehmen?
- Welche Ziele möchten Sie mit der mobilen Schadenaufnahme erreichen?
- Bringt Ihnen die mobile Schadenaufnahme einen Vorsprung am Markt?
- Unterstützt die mobile Schadenaufnahme die Ausrichtung Ihres Geschäftsmodells?
- Wählen Sie für Ihre Sparten, Kundengruppen und Vertriebswege unterschiedliche Modelle?
- Wie lässt sich das Thema für die mit den Dienstleistern abgesprochenen Prozesse integrieren oder müssen Sie neue Prozesse vereinbaren?
Das Thema mobile Schadenaufnahme ist also weit mehr als nur die Schadenaufnahme vor Ort. Die zukünftige Ausrichtung Ihrer strategischen Ausrichtung kann damit bei konsequenter Vorgehensweise und richtiger Fragestellung unterstützt werden.
Mobile Schadenaufnahmen können den Prozess beschleunigen, setzen aber Technik affine Mitarbeiter (Regulierer) voraus – denn sonst wird das Werkezug schnell zum Entschleuniger, satt wie gewünscht zum Beschleuniger. Unbhängig davon sollte auch ein klares Konzept zur Verwendung der gewonnenen
Informationen vorhanden sein, denn noch mehr ungenutzte Daten braucht niemand. Soll heißen Digitalisierung unbedingt forcieren – aber im Moment ist noch manchmal weniger mehr. Bedarfsgerechte Erfassungen, die im Regulieungsprozess einen Zusatznutzen für den Kunden (VN) ermöglichen, sollten hierbei im Fokus stehen.
Lieber Herr Schmidt, vielen Dank für Ihre Anmerkung dazu. Ich sehe es auch so, dass sich dafür die Anforderung an den Regulierer / am Prozess beteiligte Mitarbeiter verändern und Unternehmen dann auch hier qualifiziert werden müssen. Ein stufiges Vorgehen, Lernen am Prozess und den Kundennutzen fokussieren sind weitere hilfreiche Punkte, die Berücksichtigung finden müssen. Ich denke auch, dass der Umgang und Nutzen jeder gewonnenen Information abgewägt werden muss.