Die Weiterentwicklung der Schadenregulierung in den zurückliegenden Jahren hat u.a. eines deutlich gezeigt – die Qualität der Fachlichkeit in den Schadenbereichen ist elementare Grundlage für einen erfolgreich agierenden Versicherer. Die weitere Ausgestaltung der eigenen Fachlichkeit spielt für Erfolg oder Misserfolg in der Zukunft eine entscheidende Rolle.

Schadendienstleister sind Teil der Fachlichkeit und Wertschöpfung

Was vor 20 Jahren nur in einzelnen Themenstellungen denkbar war ist heute eine Selbstverständlichkeit: der Einsatz von Dienstleistern als wertschöpfender Beitrag des Schadenregulierungsprozesses ist in allen Sparten etabliert.

Der höchste Reifegrad ist sicherlich in der Kfz-Versicherung zu finden. Dafür gibt es viele Gründe:

  • das versicherte Objekt ist in allen seinen Teilen definiert, beschrieben und unverwechselbar abbildbar
  • der Ursprungszustand ist jedem bekannt
  • Herstellervorgaben konkretisieren die notwendigen Reparaturen oder Teile
  • der Ersatzteilmarkt ist laufend in Bewegung
  • Kooperationen und Konfrontationen von Versicherern und Automobilherstellern sind Treiber für Weiterentwicklung und Professionalisierung

Die Komplexität in der Sachversicherung schien eine vergleichbare Entwicklungsdynamik deutlich zu beschränken. Tatsächlich scheint mir diese Dynamik mittlerweile aber deutlich höher mindestens aber gleichwertig zu sein.

Der Dienstleistermarkt in Sach ist weiterhin heterogen. Es bilden sich neue Kooperationen wie z.B. Fair Damage Control und Geschäftsmodelle z.B. in der Belegprüfung werden mit Hilfe von internationalen Investoren ausgeweitet. Einzelne Dienstleisterkategorien wie Leckageortung & Trocknung verzeichnen inflationäre Neugründungen.

Die Spezialisierung der Dienstleister hat den Versicherern in der Vergangenheit sehr geholfen. Kompetenzen und Kapazitäten in vielerlei Spezialität konnten einen Beitrag auf alle drei strategischen Ziele leisten. Gleichwohl haben die Versicherer die eine oder andere Chance zur Ausgestaltung eigener Dienstleistungsmodelle nicht genutzt.

Wesentlich scheint mir das Bewusstsein für den Erhalt und Ausbau der eigenen Fachlichkeit zur Wahrung der strategischen Unabhängigkeit.

Verlust der fachlichen Hoheit und strategischen Unabhängigkeit birgt hohes Risiko

Der größte Druck in der Sachversicherung liegt in der besorgniserregenden Steigerung des Schaden-Durchschnitts in Leitungswasser. Die generelle Möglichkeit des Dienstleistereinsatzes ohne stringente Richtlinien wie auch die Integration der Beauftragung von Dienstleistern in die Schadensysteme der Versicherer haben m.E. dafür gesorgt, dass der Mitarbeiter den Schaden schnell abgeben kann und Fachlichkeit per Klick ausgelagert.

Bei zunehmender Automatisierung des Dienstleistereinsatzes müssen fachliche Voraussetzungen kritisch geprüft sein. Reparatur- oder Sanierungsempfehlungen wie auch Prüfberichten wird häufig zu leichtfertig gefolgt.

Dienstleistereinsatz muss mit Augenmaß und nicht als Befreiungsschlag des Mitarbeiters erfolgen. Ohne detaillierte Fachlichkeit und Beachtung der Konsequenzen sind die Beauftragungen kurzfristig ein Ertrags- und mittel- bis langfristig ein Existenzrisiko.

Augenmaß und Strategiekonformität bei Dienstleistereinsatz unabdingbar

Die Qualität der Schadendienstleister ist im jeweiligen Geschäftsmodell weitgehend auf hohem Niveau. Von hoher Bedeutung ist allerdings, dass sich die Versicherer ihrer Dienstleisterstrategie bewusst sind und wie sie mit ihren Dienstleistern der Entwicklungsdynamik erfolgreich begegnen wollen.

Im Detail liegen die Risiken in

  • zunehmender Verlagerung der Fachlichkeit nach außen
  • stetigen Investitionen in die Anbindung der Dienstleister
  • rückläufiger Qualität der Schadenregulierung eigener Mitarbeiter
  • sinkender Motivation eigener Mitarbeiter
  • wachsender Abhängigkeit zu externen Partnern
  • steigenden Schadenaufwänden und Regulierungskosten
  • sinkender Fähigkeit zur Beurteilung von Wechselwirkungen und Konsequenzen

Automatisierung erfordert tiefgehende Fachlichkeit

Die weiter zunehmende Automatisierung von Prozessen oder Teilprozessen erfordert hohe Fachlichkeit. Wir gehen davon aus, dass „Standard-Schäden“, die  keine hohe Anforderungen an die Fachlichkeit der Mitarbeiter haben, zukünftig automatisiert mit Hilfe von Regelwerken oder auch künstlicher Intelligenz verarbeitet werden.

Im Umkehrschluss müssen Schadenmitarbeiter immer mehr komplexe, nicht standardisierte Schadenfälle bearbeiten können. Anforderungen an die Fachlichkeit für Maschine und Mensch werden also steigen.

Die Auswirkung dieser Entwicklung sind vielfältig:

  • Schlüsselfunktionen der Schadenabteilungen müssen identifiziert und ausgebaut werden
  • Technologie- und Prozesskompetenz werden wesentlicher Teil notwendiger Fachlichkeit
  • Fachliche Qualifikation muss höher priorisiert und Schulungskonzepte müssen angepasst werden
  • Personalentwicklungskonzepte sind zu aktualisieren
  • Wissen über Fachlichkeit, Abhängigkeiten und Wechselwirkungen muss aktuell, vollständig und jederzeit verfügbar sein
  • Messbarkeit von Maßnahmen und Wirkungen für Dienstleister, Automaten und Mitarbeiter muss etabliert und weiterentwickelt werden 

Demografie erhöht Handlungsdruck

Die demografische Entwicklung forciert die Notwendigkeit zum Handeln. Der Abgang von Mitarbeitern und damit verbundene Know-How-Verlust ist bereits heute schwer zu kompensieren.

Fehlende Aktualisierung von Dokumentationen, vernachlässigter Erfahrungsaustausch von Mitarbeitern untereinander, veraltete Schulungskonzepte und -inhalte sowie hoher Produktivitätsdruck sind einige Gründe für die Herausforderungen aus der demografischen Entwicklung.

Fazit

Ich bin davon überzeugt, dass die Notwendigkeit besteht, die Schlüsselfunktionen und den Ausbau der Fachlichkeit in der strategischen Ausrichtung neu zu überdenken und die Inhalte zu überarbeiten. Bleiben wir der DNA treu, denn das Unterlassungsrisiko und die damit verbundenen Folgen sind zu groß.

 

Bildquelle: www.flickr.com NHRGI