tobias-mauss-mauss-datenschutzUnser Co-Autor heute: Tobias Mauß – Senior Manager, Datenschutzbeauftragter und Datenschutzberater – Mauß Datenschutz .

Ob wir es merken oder nicht – Big Data gehört schon heute zum Alltag. Die Selbstoptimierung und Automatisierung des Alltags im privaten Umfeld ist als Teil der Zukunft in einer vernetzten Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Damit gewinnt das Thema Digitales Vertrauen extrem an Bedeutung.

Das gilt im Besonderen für die Versicherungswirtschaft.

Vor diesem Hintergrund haben wir uns mit den bestehenden Ansätzen zu verbrauchsbasierten und verhaltensorientierten Tarifansätzen, den weiteren Chancen und Risiken sowie den kritischen Erfolgsfaktoren für die Versicherungswirtschaft auseinandergesetzt. In den Fokus haben wir dabei den Kunden und den Datenschutz genommen.

Fitnesstracker in der Krankenversicherung generieren Bewegungsdaten, die im Falle definierter Bewegungsprofile die Basis für einen Rabatt auf die Prämie bilden. Kfz-Versicherte – entsprechendes Fahrverhalten vorausgesetzt – erhalten Nachlässe auf ihre Prämie. Denkbar sind zahlreiche weitere Anwendungsfälle im Geschäftsmodell Komposit.

Big Data und die Chancen für die Versicherer

Mit fortschreitender Vernetzung der technischen Komponenten im Haushalt wird es möglich sein, detaillierte Informationen über den Status der versicherten Objekte sowie etwaige Auffälligkeiten hierin zu erhalten. Von Frühwarnsystemen über Präventionsmaßnahmen bis hin zu Notfallmaßnahmen ist eine Reaktionskette denkbar.

Versicherern bieten sich damit Chancen, diese Vernetzungsoptionen in die Gestaltung neuer Produkte einfließen zu lassen. Von der Kalkulation der Prämien über automatisierte Assistance-Leistungen bis hin zu aktiven, präventiven Aktionen können Daten über die Lebens- und Verhaltensweisen der Versicherten, ihres Gebäudes und ihres Hausrats in die Wertschöpfung sinnvoll und für beide Seiten nutzbringend eingebracht werden.

Die benötigten Datenmengen für solche Auswertungen können dabei je nach Anwendungsfall immens sein. Die Beherrschbarkeit und Performance von großen Datenmengen stellt technologisch sicher in der Zukunft keine Restriktion mehr dar.

Risiko Reputations- und Vertrauensverlust

Von besonderer Bedeutung ist, dass die Versicherten ein hohes Maß an Vertrauen gegenüber dem Versicherer werden aufwenden müssen. Jeglicher Missbrauch entsprechender Daten wäre für die Versicherten und den Versicherer ein erhebliches Sicherheits- und Reputationsrisiko.

Die Datensicherheit zu Angriffs- und Ausfallrisiken muss in hohem Maße gegeben sein. In einem vernetzten Geschäftsmodell mit hohem Datenvolumen, intensiver Interaktion und einer Fülle vertraulicher Informationen haben Datenschutz und Datensicherheit die herausragende Bedeutung.

Neben einer vertrauenswürdigen Behandlung und Sicherheit der Informationen bedarf es zudem einer überzeugenden Nutzenargumentation entlang der Service- und Produktparameter. Dieses können nicht nur geldwerte Vorteile sein. Weiterer Nutzen sollte sich sowohl aus einem individuelleren Versicherungsschutz als auch aus Zusatzleistungen außerhalb des eigentlichen Versicherungsbedarfes ergeben.

Die „Vergütung“ der Datenlieferung des Versicherten ist dabei eine nicht zu unterschätzende Komponente.

Die Rolle der Datenschutzgrundverordnung

Spätestens an dieser Stelle kommt das Datenschutzrecht ins Spiel. Stand heute gilt das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), ergänzt durch zahlreiche weitere bereichsspezifische Regelungen, wie zum Beispiel das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) oder die Sozialgesetzbücher (SGB).

Ab dem 25. Mai 2018 wird die bereits in diesem Jahr in Kraft getretene EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) das BDSG ablösen, so dass ab diesem Zeitpunkt das Datenschutzrecht – mit einigen wenigen Ausnahmen – europaweit einheitlich geregelt sein wird.

Heute gilt das Prinzip der Datensparsamkeit. Die DSGVO führt stattdessen die beiden Prinzipien „Privacy by design“ und „Privacy by default“ ein. Jegliche Verarbeitung personenbezogener Daten ist spätestens ab diesem Zeitpunkt an diesen Prinzipien auszurichten. Alle drei Prinzipien stehen den Optionen aus Big Data diametral entgegen.

Dennoch sind entsprechende Verarbeitungen wie bereits heute auch zukünftig weiterhin denkbar, müssen sich doch auch die Prinzipien „Privacy by design“ und „Privacy by default“ letztlich am Verarbeitungszweck orientieren. Es gibt folglich auch weiterhin datenschutzrechtliche Herausforderungen. Diese stellen jedoch keine unüberwindbare Hürde dar.

Digitales Vertrauen als Voraussetzung

Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) befragte im Auftrag des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) fast 1.600 Versicherungskunden. Die Befragung ergab, dass fast 60 Prozent der Befragten eine Datenweitergabe kritisch sehen.

Auch die Vorbehalte gegenüber den guten Absichten der Versicherer sind hoch. Fast 30 Prozent befürchten aus Kfz-Telematiktarifen Nachteile oder sogar einen Wegfall des Versicherungsschutzes für den Fall des Verstoßes gegen Verkehrsregeln. Lediglich 15 Prozent der Befragten würde ihre Daten demnach vorbehaltlos weitergeben.

Gefordert ist das digitale Vertrauen des Versicherten in die Branche oder auch in einzelne Versicherer, welches erarbeitet werden muss. Eine wesentliche Rolle beim Aufbau des Vertrauens dürfte dem Vertrieb zufallen. Die Produkte werden aufgrund der Vielzahl an Parametern deutlich erklärungsintensiver.

Insbesondere aufgrund der Transparenzpflichten, die das Datenschutzrecht allen Verantwortlichen und damit auch der Versicherungswirtschaft auferlegt, werden die Datenschutzerläuterungen und Einwilligungserklärungen deutlich an Umfang und Komplexität zunehmen. Ob datenbasierte Tarife erfolgreich sein werden hängt also vor allem vom Vertrauen und den Anreizen zur Herausgabe der individuellen Daten ab.

Neue Herausforderungen in der Vertragsverwaltung

Im Kontext von Big Data und Smart Insurance muss der Datenschutz nicht nur in Bezug auf den Versicherungsnehmer, sondern für alle Nutzer eines Gebäudes, einer Wohnung oder eines Fahrzeugs berücksichtigt werden.

Die Verträge sind damit nicht mit einer Person, sondern gegebenenfalls mit einem Personenkreis zu vereinbaren, den der Versicherungsnehmer nicht einfach in Vollmacht vertreten wird können. Damit ergeben sich auch neue Herausforderungen im Bereich der Vertragsverwaltung. Es wird neue Rollen in Verträgen und eine hohe Flexibilität bei (partiellem) Wegfall von Einwilligungen geben müssen.

Fazit

Die Möglichkeiten verhaltens- und verbrauchsbasierter Versicherungsleistungen und additiver Services sind nahezu grenzenlos. Die Anforderungen an Vertrieb, Produkt, Vertrag und Schaden sind umfangreich und in vielen Teilen neu. Die Königsdisziplin im Zeitalter von Smart Insurance wird der Erwerb und Erhalt des digitalen Vertrauens der Versicherten sein.

Schreiben Sie uns, wenn Sie mehr über die Themen diskutieren möchten.

 

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